Gedenken: Drei Feuerwehrleute starben vor 50 Jahren bei Linde-Großbrand in Kostheim

Im Linde-Kältetechnikwerk in Kostheim kam es heute vor 50 Jahren, am 23. Januar 1971, zu einer verheerenden Brandkatastrophe. Drei Feuerwehrleute starben während der Löscharbeiten, als ein Gebäudeteil in sich zusammenstürzte. Fünf Tage lang dauerten die Löscharbeiten, zu denen Feuerwehrkräfte aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet alarmiert wurden. Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie ist eine offizielle Gedenkveranstaltung nicht möglich, daher wurde das Ereignis in Gedenken an die verunglückten Kameraden aufbereitet.

Zu einer der größten Brandkatastrophen der Nachkriegsgeschichte entwickelte sich im Januar 1971 ein Feuer im mittlerweile stillgelegten Linde-Kältetechnikwerk in Kostheim. „Diese Brandkatastrophe ist in ihrem Ausmaß und mit dem Tod von drei Feuerwehrleuten beispiellos in der Wiesbadener Geschichte. Wir können nur hoffen, dass sich so etwas nie wieder wiederholt“, so Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende.

Am Samstag, den 23. Januar 1971, gibt der Nachtwächter des Linde-Werkes um 22.10 Uhr Feueralarm. Als die Kräfte der Wiesbadener Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr Kostheim acht Minuten später am Einsatzort eintreffen, ist die Lagerhalle bereits stark verraucht. Drei Trupps gehen unter Atemschutz zur Erkundung vor, weitere Verstärkung wird nachgefordert.

Die ganze Nacht hindurch kämpfen die Feuerwehrleute gegen die Flammen, die sich bereits stark ausgebreitet hatten.Neben allen Wiesbadener Feuerwehrkräften, werden auch Feuerwehren aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet nachgefordert. Von der Berufsfeuerwehr Mainz, zahlreichen Mainzer Freiwilligen Feuerwehren, den Freiwilligen Feuerwehren aus Gustavsburg, Ginsheim, Raunheim, Hofheim, Rüsselsheim und der Werkfeuerwehr Opel, eilen zahlreiche Löschfahrzeuge nach Kostheim. Mehr als 30 Tragkraftspritzen fördern Wasser zur Einsatzstelle. Von allen Gebäudeseiten aus gehen Trupps unter Atemschutz mit B- und C-Rohren vor. Aufgrund der starken Rauchentwicklung kann das Feuer, das sich bis dahin schon stark ausgebreitet hatte, erst gegen 23 Uhr direkt bekämpft werden.

Mit der Meldung “Feuer unter Kontrolle” werden um 5:52 Uhr die ersten Fahrzeuge wieder abgezogen. Durch die erhebliche Einsturzgefahr der Lagerhalle, wurde ein weiterer Innenangriff abgebrochen. Vermutlich um die Explosionsgefahr, die von einem Gaslager ausging, durch Kühlung zu beseitigen, gingen in großem Vertrauen in die Baukonstruktion trotz der Einsturzgefahr zwei Trupps der Berufsfeuerwehr Wiesbaden und zwei Trupps der Freiwilligen Feuerwehr Schierstein mit je einem C-Rohr in das Gebäude vor.

Gegen 6 Uhr stürzt plötzlich ein Teil des zweigeschossigen Gebäudes auf einer Länge von rund 50 Metern und einer Breite von rund 30 Metern ein. Drei Feuerwehrmänner der Berufsfeuerwehr und drei Freiwillige Feuerwehrmänner werden begraben. Sechs weitere Feuerwehrleute werden bei dem Einsturz verletzt und sofort ins Krankenhaus gebracht. Vermutlich war die Erwärmung der Eisenträger und falsch angebrachte Dehnungsfugen Ursache für den Einsturz. Durch die Hitze dehnten sich die Träger aus und schoben die Wände nach außen. Bei den Löscharbeiten kühlten sie wieder ab und zogen sich zusammen. Dadurch rutschten sie von den Auflageflächen und es kam zum Einsturz.

Drei Feuerwehrleute konnten sofort geortet werden, ein freiwilliger Feuerwehrmann konnte sich selbst aus den Trümmern befreien. Mit Trennschleifern, Bolzenschneidern und Brecheisen wurden unter Lebensgefahr Zugänge zu den Eingeschlossenen geschaffen. Gegen 7:30 Uhr muss die Rettung vom 27-jährigen Oberfeuerwehrmann Albert Scheurich (Berufsfeuerwehr Wiesbaden) abgebrochen werden, nach dem ein Oberarzt der städtischen Kliniken dessen Tod festgestellt hatte. Zu groß war die Gefahr für die Bergungsmannschaft durch einen weiteren Einsturz. Knapp eine halbe Stunde später kann ein weiterer freiwilliger Feuerwehrmann lebend gerettet werden. Durch den Einsatz der gerade gegründeten Rettungshundestaffel konnte der 18-jährige Feuerwehrmann Karl-Heinz Bremser (FF-Schierstein), für den es sein erster Einsatz war, einige Zeit später tot geborgen werden. Mit Baggern und Greifern wurde die Suche nach dem 53-jährigen technischen Brandamtmann Kurt Windrich (Berufsfeuerwehr Wiesbaden) fortgesetzt. Gleichzeitig wurde die Brandbekämpfung der noch vorhandenen und immer wieder aufflackernden Brandnester durchgeführt. Am Mittag ist der Brand weitestgehend gelöscht.

Doch zwei Tage später sorgt am Dienstag, den 26. Januar 1971, ein Unwetter für ein erneutes Aufflammen der Brände. Starke Winde entfachen gegen 5:15 Uhr das Feuer in einem fünfgeschossigen Lagerhaus, in dem 25.000 Liter Nitroverdünnung und 80.000 Liter Benzin gelagert werden. Aufgrund der erheblichen Einsturzgefahr ist ein Innenangriff nicht möglich. Rund ein Dutzend Wasserwerfer werden in Stellung gebracht. Das erst in diesem Jahr in Dienst gestellte Feuerlöschboot der Feuerwehr Frankfurt unterstützt die Wasserversorgung. Von einem Polizeihubschrauber aus koordiniert der damalige hessische Landesbranddirektor Ernst Archilles die Einsatzkräfte. Umliegende Anwohner müssen ihre Häuser verlassen.

Der letzte vermisste Feuerwehrmann, Kurt Windrich, kann am 27. Januar 1971 geborgen werden. Erst am 5. Februar ist das Feuer vollständig gelöscht und das letzte Feuerwehrfahrzeug verlässt die Einsatzstelle. Bei den Wiederaufbauarbeiten kam im August 1971 außerdem der Stahlbauer Jovan Bulev ums Leben.

In einer großen Trauerfeier wurde am 1. Februar 1971 der drei Opfer des Unglückes gedacht. In der festlich geschmückten Fahrzeughalle der Feuerwache am Kurt-Schumacher-Ring wurden die Särge der Verstorbenen aufgebahrt und würdevoll Abschied genommen.


Auf der Homepage der Feuerwehr Wiesbaden wird das Ereignis umfangreich aufbereitet:

Auf unserem Twitter-Kanal werden wir außerdem das Ereignis chronologisch nachzeichnen.